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Geschichte

Die Stadt Lienz ist verhältnismäßig jung - gemessen an den frühesten Spuren menschlicher Besiedlung im Talbecken. Die Niederung darf man sich als Auland bzw. als Überschwemmungsgebiet von Isel und Drau vorstellen, während sich die Anhöhen für Siedlungszwecke eigneten. Zwei jungsteinzeitliche Beile aus der Zeit um 2000 v. Chr., gefunden am Schlossberg, gelten als bisher älteste Zeugnisse der Anwesenheit von Menschen im Lienzer Raum. 

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Die erste Siedlung von Bedeutung bestand - nach bisherigem Wissensstand - auf Breitegg, einer Kuppe in der Nähe von Nussdorf östlich von Lienz. Gelegen an einem der damaligen Fernverkehrswege, weist das aufgefundene keramische Material (seit ca. 1800 v. Chr.) Zusammenhänge mit den prähistorischen Kulturzentren im Südalpenraum auf. Während die Forschung von der früheren Annahme der Illyrer als Urbevölkerung im tirolisch-alpinen Raum abgerückt ist, sind die Kelten, die um 400 in den Ostalpenraum eingewandert sind, schon gut fassbar. Es kam zu einem losen Zusammenschluss der keltischen Stämme.

Die Bergschätze waren es vor allem, die auf den Nachbarn im Süden, das Römische Reich, große Anziehungskraft ausübten. Ein Bündnisvertrag beschnitt die Selbständigkeit des Keltenstaates und führte zu einer Abhängigkeit, die um die Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts in ein Provinzialverhältnis umgewandelt wurde. So war es möglich, dass die in voraugusteischer Zeit gegründete Siedlung am Debantbach unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) zum "Municipium Claudium Aguntum" erhoben wurde.

Die Ergebnisse der seit Jahren laufenden wissenschaftlichen Grabungen zeigen das Erscheinungsbild einer blühenden römischen Provinzstadt, die bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. unter stabilen politischen Verhältnissen in wirtschaftlicher und kultureller Blüte lebte. In Aguntum residierte auch ein von Aquileia abhängiger Bischof. Von Aquileia im nordöstlichen Italien aus war der Ostalpenraum im 4. Jahrhundert christianisiert worden.

Frühchristliche Kirchenbauten wurden bei archäologischen Grabungen im Lienzer Raum in erstaunlicher Dichte gefunden: in Aguntum selbst, in Lavant, in St. Andrä in Lienz und in Oberlienz. In der Völkerwanderungszeit wurde Aguntum mehrmals in Mitleidenschaft gezogen. Zur Auflassung der Siedlung dürfte die Schlacht zwischen Bajuwaren und Slawen, die nach dem Bericht des langobardischen Geschichtsschreibers Paulus Diaconus um 610 bei Aguntum stattgefunden hat, entscheidend beigetragen haben.

Die Niederlage der Bajuwaren wirkte sich auf die Ausbildung der politischen Grenzen bzw. Territorien aus: Während das Pustertal dem Herzogtum Baiern zugehörte, wurde der Lienzer Raum mit der Iselregion dem Herzogtum Kärnten zugeschlagen. Die slawische Landnahme scheint friedlich vor sich gegangen zu sein. Bajuwarische Unterwanderung, Christianisierung der Slawen und schließlich Oberhoheit der Franken über Bajuwaren und Slawen trugen zur Stabilisierung der Verhältnisse im Lienzer Raum bei.

An der neuerlichen Welle der Christianisierung beteiligten sich neben Aquileia auch Salzburg und das von Baiernherzog Tassilo III. im Jahre 769 gegründete Benediktinerkloster Innichen im Hochpustertal. Als Kaiser Karl der Große im Jahr 811 den Draufluß als Grenze zwischen den Missionsgebieten von Aquileia und Salzburg festsetzte, verblieb dem Patriarchat aber nördlich dieses Flusses noch die Siedlung um die Kirche St. Andrä auf der Anhöhe. Dies weist bereits auf die hervorragende Bedeutung des Ortes hin, für den später die Bezeichnungen "villa patriarchae" bzw. "Patriarchesdorf" (= Patriasdorf) und - erstmals in einer Urkunde, die zwischen 1022 und 1039 ausgestellt worden ist - "locus Luenzina" aufkamen. Spätere Schreibweisen für Lienz sind z. B. "Lionza" (1075), "Luonzi" (um 1180), "Lüenz" (1197). Im Jahr 1595 taucht erstmals die Bezeichnung "Lienz" auf. Patriarchesdorf - Lienz wurde zum Sitz der regionalen Verwaltung unter einem Grafengeschlecht, das zunächst den Lienzer Gau in der kärntnerischen Grafschaft Lurngau innehatte.

Um 1100 erwarb das Geschlecht die Vogtei (Schutzherrschaft) über Aquileia, was mit Grafenrechten und entsprechenden Besitzungen verbunden war. Bedingt durch diesen Machtzuwachs im Süden, nannte sich das Geschlecht von nun an "von Görz". Von dieser neuen Machtposition aus gelang es den "Görzern", die Herrschaft über den gesamten Lurngau auszudehnen.

Das Rodungswerk im Talboden zwischen den Flüssen Isel und Drau hatte schon lange vorher eingesetzt, als gegen Ende des 12. Jahrhunderts die Görzer hier ein "Burgum" mit dem Grundriss in Form eines nach Osten hin sich verjüngenden, langgezogenen Dreiecks gründeten. Diese Anlage entspricht mehr oder weniger dem heutigen Hauptplatz. Stadtarchäologische Forschungen der vergangenen Jahre haben neue wesentliche Erkenntnisse zur Frühzeit der Stadt erbracht.

Von der ältesten Stadtmauer des 13. Jahrhunderts hat sich ein Teil neben dem St.-Antonius-Kirchlein erhalten. Die rund 30 Häuser scheinen nicht in zwei geschlossenen Häuserzeilen entsprechend einer einheitlichen Planung entstanden zu sein, sondern dürften nach und nach errichtet worden sein, wobei sie - wenigstens auf der Nordseite - sich nicht unbedingt an die Stadtmauer anlehnten. An der Südwestecke stieß man auf den ehemaligen Stadtgraben mit ca. 15,5 m Breite und mehr als 3 m Tiefe. Der wichtigste Zugang zum Burgum befand sich auf der zugleich am meisten gefährdeten Westseite, die jedoch von einer gräflichen Burg geschützt wurde. Das Burgum, auf das der Name "Lienz" von der Siedlung um St. Andrä überging, trug zunächst vermutlich eher ritterständischen Charakter.

Der görzische Ministerialadel, der u. a. auf den zahlreichen Burgen rund um Lienz saß, dürfte auch hier einen Sitz gehabt haben. Das bedeutendste Ministerialengeschlecht war jenes der Burggrafen von Lienz. Burggraf Heinrich (1256) ist schon insofern von Interesse, als er sich auch der Sangeskunst hingab. Seine Lieder sind in der berühmten "Manessischen Liederhandschrift" enthalten, die kurz nach 1300 entstanden ist. Die Ansiedlung, immer mehr von Handelsleuten und Gewerbetreibenden durchsetzt, erhielt vom görzischen Grundherrn verschiedene Rechte wie Markt-, Stapel-, Niederlagsrecht und niedere Gerichtsbarkeit und wuchs so in den Status einer mittelalterlichen Stadt hinein, weshalb auch kein präzises Datum für die "Stadterhebung" angegeben werden kann.

Damit kommt aber der ersten urkundlichen. Nennung als "Stadt" ("civitas") eine besondere Bedeutung zu. Sie ist in einer Eintragung eines Bozner Notars vom 25. Februar 1242 enthalten. Es spricht für die Bedeutung der Stadt, wenn das alte Burgum auf der Westseite in den Jahren 1311 bis 1320 bereits erweitert werden musste.

Vor dem westlichen Tor entstand ein Zentrum pulsierenden wirtschaftlichen Lebens. Von hier aus nahmen vier Straßen ihren Ausgang. Auf diesem Platz wurde auch die St.-Johannes-Kirche errichtet, die 1308 erstmals erwähnt wird, deren tatsächliches Alter aber nicht bekannt ist. Sie fungierte als Filialkirche von St. Andrä. Die Johanneskirche existiert heute nicht mehr; sie wurde nach einer Zerstörung durch Brand (1798) nicht wiedererrichtet. Unweit von St. Johann entstand das Kloster der Karmeliten mit angeschlossener Kirche. Gestiftet wurde es von Gräfin Eufemia von Görz und ihren Söhnen im Jahr 1349.

Die Karmeliten haben in der Seelsorge gewirkt und im 18. Jahrhundert auch die Lienzer Schulen betreut. Unter Kaiser Joseph II. wurde der Konvent aufgelöst (1785), während in die Gebäude die Franziskaner aus Innsbruck einzogen. Außerhalb der Mauern befand sich weiter das Spital mit zugehöriger Hl.-Geist-Kirche, eine Sozialeinrichtung. Im Gegensatz zur ersten urkundlichen Erwähnung um die Mitte des 14. Jahrhunderts, ergab der archäologische Befund einer wissenschaftlichen Grabung (1992) für die Kirche eine Datierung in das 13. Jahrhundert.

Die Entwicklung ging von einer Versorgungsstätte alter Lienzer ("Pfründner") zur Institution eines Krankenhauses, dessen Funktion, die Gebäude bis 1931 erfüllten. Die Kirche erlitt durch Bombardierung im April 1945 große Schäden, konnte jedoch 1952/57 mit dem neuen Patrozinium "St. Josef" wiederhergestellt werden. Inzwischen dient der Raum mit seinem spätbarocken Erscheinungsbild kulturellen Zwecken.

Vom Johannesplatz aus führt ein Straßenzug zur Pfarrbrücke; der ältesten Lienzer Brücke, mit dem nahegelegenen Kloster der Dominikanerinnen. Ursprünglich eine Gemeinschaft frommer Frauen, wurde diese nach der Klostertradition im Jahr 1218 dem Dominikanerorden angeschlossen. Das Kloster hat zahlreiche Schicksalsschläge hinnehmen müssen; immer wieder haben die Gebäude mit der Kirche zu Maria Heimsuchung durch Brand gelitten. Der Konvent aber hat sich als lebensfähig erwiesen und ist bis heute eine Stätte religiöser Ausstrahlung geblieben.

St. Andrä, die Kirche jenseits der Brücke auf der Anhöhe, besitzt die am weitesten zurückreichende Tradition unter den Lienzer Kirchen. Schon in frühchristliche Zeit zurückgehend, blieb sie als Pfarrkirche immer seelsorgliches Zentrum von Lienz, auch wenn sie sich weit außerhalb des Gründungsbau der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts angehört. Ohne eigentliche seelsorgliche Funktion, diente St. Michael seit Beginn des 16. Jahrhunderts der adeligen Familie von Graben und verwandten Familien als Begräbnisstätte. Die Graben versahen die Kirche mit einem Benefizium, das heute noch existiert.

In der Verlängerung des Rindermarktes befand sich eine weitere Sozialeinrichtung, das Siechenhaus, erstmals 1334 erwähnt. Hier wurden Leute mit schweren ansteckenden bzw. unheilbaren Krankheiten untergebracht. Der Johannesplatz mit Kirche, Karmelitenkloster und Spital wurde in einer neuerlichen Phase der Stadterweiterung Ende 15./Anfang 16. Jahrhundert in den Mauergürtel einbezogen. Es war die Zeit, in der die Türken erstmals das Abendland bedrohten.

Weit abseits der Stadt, auf einer Rückfallkuppe am Eingang ins Iseltal, entstand im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts die neue Residenzburg der Görzer Grafen: Schloss Bruck. Am Höhepunkt der Macht gebot das Geschlecht über weite Teile des Pustertales, Oberkärntens und Friauls. Die Görzer Besitzungen reichten hinein nach Krain, auf die Windische Mark und nach Istrien. Ein Zweig des Geschlechtes erwarb die Grafschaft Tirol und das Herzogtum Kärnten. Die Görzer konnten in ihren Gebieten die volle Landeshoheit ausbauen und wurden als reichsunmittelbare Landesfürsten anerkannt.

In der Regierungszeit des letzten Grafen von Görz-Tirol, Leonhard (1462-1500), wurde die Grafschaft von mehreren Seiten bedroht. Er musste einen politischen Rückhalt finden gegen die Republik Venedig, die Türken und Kaiser Friedrich III. Seine Heirat mit Paola Gonzaga aus Mantua, Tochter des Markgrafen Ludovico, konnte in dieser Hinsicht für den Görzer sehr nützlich sein. Von einem der kulturell führenden Fürstenhöfe Italiens kommend, brachte Paola einen Schimmer von Renaissancekultur ins mittelalterliche Schloss Bruck. Paolo Santonirio, Sekretär des Patriarchen von Aquileia, berichtet 1485, dass die Gräfin wegen ihrer einzigartigen Bildung "von der Bevölkerung" geliebt und geachtet werde. Paola war bei der Hochzeit 15 Jahre alt und damit gut 20 Jahre jünger als Graf Leonhard, der Typ eines kampferprobten Haudegens. Das "ungleiche Paar" Leonhard und Paola, zentrales Thema des Lienzer Teiles der Landesausstellung 2000 - Tirol-Südtirol-Trentino, ist bis heute im Bewusstsein der Lienzer Bevölkerung verhaftet geblieben.

Von Paolo Santonino stammt die älteste Beschreibung von Lienz (1485), in der die Stadt nach Aufzählung der wichtigsten Gebäude, des fürstlichen Hofes und der Schilderung der Umgebung als "Schmuckkästchen, bemerkenswert in einer vor allem bergigen und waldreichen Gegend" charakterisiert wird.

Als Haupt- und Residenzstadt der Grafen von Görz erlebte Lienz ebenfalls die Höhen und Tiefen der Entwicklung der Dynastie. Leonhard von Görz, der Letzte seines Geschlechtes, starb im Jahr 1500 auf Schloss Bruck. König bzw. Kaiser Maximilian I. war gleichsam Universalerbe der Görzer. Die Landgerichte im Pustertal und die Herrschaft Lienz wurden mit der Grafschaft Tirol vereinigt. Lienz verlor seine zentrale Position als Residenzstadt. In kriegerische Aktionen mit den Nachbarn verstrickt, war Maximilian stets um Rüstung und Verteidigung bemüht, die allerdings große Geldmittel verschlungen haben. Damit hängt zusammen, dass Maximilian bereits 1501 die Herrschaft Lienz an seinen Rat und Landhofmeister der Grafschaft Tirol, Michael Freiherrn von Wolkenstein-Rodenegg, verkaufte. Manche Rechte behielt er sich freilich vor, ebenso den Anspruch auf Rückkauf.

Zu den markantesten Ereignissen in der Zeit der Verwaltung durch die Freiherren - seit 1630 Grafen - von Wolkenstein-Rodenegg gehört der Stadtbrand des Jahres 1609, der innerhalb von drei Stunden den größten Teil der Stadt in Schutt und Asche legte. Dabei wurde auch deren soeben fertiggestellter Ansitz Liebburg am Hauptplatz zerstört. Beim Wiederaufbau erhielt die Liebburg ihre heute für das Stadtbild so charakteristischen Türme. Die Wolkensteiner erholten sich nicht mehr vom finanziellen Schaden, der ihnen erwachsen war.

Im Jahre 1647 sahen sie sich gezwungen, die Herrschaft Lienz an den Tiroler Landesfürsten zurückzugeben, der sie nach wenigen Jahren 1653 an das Königliche Damenstift in Hall in Tirol verkaufte. Die Verwaltung blieb im Prinzip gleich, allerdings ist ein Anwachsen des Beamtenstabes bemerkbar. Die Zugehörigkeit zum Haller Damenstift währte rund 120 Jahre, bis Kaiser Joseph II. im Jahr 1783 diese Institution aufhob, womit die Verwaltung von den Behörden des Landes bzw. Staates übernommen wurde.

Die Napoleonische Ära hat ganz Tirol und in besonderer Weise auch Lienz in Mitleidenschaft gezogen. Das Pustertal stellte den meistbegangenen Verbindungsweg zwischen Innerösterreich und Tirol dar. Aufmarsch und Abzug der kaiserlichen Truppen, aber auch der Feinde, stellten - ganz abgesehen von kriegerischen Ereignissen hier an der Grenze Tirols - hohe Anforderungen an die Bevölkerung. Bereits im Jahr 1797 wurde Lienz zweimal von den Franzosen besetzt. Der kurze Krieg des Jahres 1805 zwischen Österreich, seinen Verbündeten und Frankreich zeitigte gerade für Tirol einschneidende Folgen: Österreich wurde gezwungen, Tirol an Bayern abzutreten.

Reformen, vor allem auf kirchenpolitischem Gebiet, die schlechte wirtschaftliche Lage, die von vornherein ungeliebte bayerische Herrschaft, Propaganda von seiten Österreichs und das Auftreten starker Persönlichkeiten ließen die Tiroler zu den Waffen greifen. Das Jahr des Freiheitskampfes 1809 stellt zugleich den Höhepunkt jener unruhigen Zeit dar. Von österreichischem Militär schließlich verlassen, waren die Tiroler bald auf sich allein gestellt. Anfang August bereits brachen französische Truppen unter General Rusca von Kärnten her in Tirol ein und versuchten, ins Zentrum des Landes zu gelangen. In erbitterten Kämpfen an der Lienzer Klause (8. August) wurde ihnen der Zutritt in das Pustertal verwehrt. Damit brauchte Andreas Hofer, Oberkommandant der Tiroler Landesverteidigung, keinen Angriff im Rücken zu fürchten und konnte die Aufgebote zur dritten Bergiselschlacht bei Innsbruck zusammenziehen.

Nach dem Sieg der Tiroler führte Hofer als "Statthalter" des Kaisers auch die zivile Verwaltung, bis die Kämpfe neuerlich begannen. Der Widerstand zog sich bis Anfang Dezember hin. Die letzten Kämpfe fanden in der Lienzer Gegend statt, an der Lienzer Klause und bei Ainet im Iseltal. Nun teilte Napoleon Tirol auf die Königreiche Bayern, Italien und die Illyrischen Provinzen ("Provinces Illyriennes") auf, die dem Kaisertum Frankreich unmittelbar unterstanden. Die neue französische Verwaltung funktionierte gerade, als sich Österreich zu einem neuerlichen Waffengang gegen Napoleon entschloss. Im August 1813 rückten von Kärnten her österreichische Truppen in "IllyrischTirol" ein, womit Lienz als erste Stadt Tirols befreit wurde. Im folgenden Jahr kehrte für ganz Tirol die österreichische Herrschaft wieder.

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts gehört für Lienz sicherlich zu den ruhigsten Epochen seiner Geschichte. Das Stadtbild veränderte sich in dieser Zeit insofern, als mehrere alte Baulichkeiten, wie die mittelalterlichen Stadttore, verschwanden, womit man schon rein äußerlich den Aufbruch in eine neue Zeit dokumentieren wollte. Mit Einrichtung der politischen Bezirke wurde Lienz 1868 zur Bezirkshauptstadt, was eine verwaltungsmäßige Konzentrierung der Iselregion und des östlichen Pustertales auf Lienz hin bewirkte. Gleichsam eine Wende in der Entwicklung der Stadt Lienz bedeutete im Jahr 1871 die Eröffnung der Pustertalbahn, die in ihrer Fortsetzung die erste Schienenverbindung Tirols mit der Reichshauptstadt Wien brachte.

Im kommunalen Bereich erfuhr Lienz in den Jahrzehnten von ca. 1870 bis zum Ersten Weltkrieg Veränderungen, die zugleich die Grundlage einer modernen Stadt bildeten. Noch in den sechziger Jahren hatten sich politische Parteien im heutigen Sinn konstituiert. In der Zeit vor dem Weltkrieg stellte mehrfach das liberale Lager das Stadtoberhaupt. Kommunale Anliegen, die nun mehr oder weniger neu auftauchten, wurden bewältigt, vom Bau einer Wasserleitung bis zur Anlage eines städtischen Friedhofs, von Verbesserungen im Sanitätswesen bis zum Bau einer Schwimmschule.

Das jähe Ende einer positiven Entwicklung war mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges gegeben. Der verlorene Krieg brachte die Zerschlagung der österreichisch-ungarischen Monarchie und damit auch den Verlust von Süd- und Welschtirol. Der Bezirk Lienz wurde damit zu einem isolierten Landesteil des Bundeslandes Tirol. Auch nach Überwindung der ärgsten Missstände der Nachkriegszeit konnte nicht an die günstige Entwicklung in den Vorkriegsjahren angeschlossen werden. Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 zeitigte umwälzende Veränderungen in allen Lebensbereichen. Eine nicht zu leugnende Begeisterung weiter Bevölkerungsteile auch in der Stadt Lienz, die sich eine wirtschaftliche Besserung erwarteten, wich bald schon der Ernüchterung.

Zunächst wurde der Bezirk Lienz von Tirol abgetrennt und mit dem Gau Kärnten vereinigt. Lienz wurde nun zu einer Kreishauptstadt unter einem ernannten Bürgermeister. Im Jahr 1939 wurde die Eingemeindung der benachbarten Gemeinde Patriasdorf von oben her verfügt. Abgesehen von diesem Bevölkerungszuwachs kamen noch zahlreiche Südtiroler Umsiedler, die für das Deutsche Reich optiert und ihrer Heimat den Rücken gekehrt hatten. Die zwei in Lienz ansässigen jüdischen Familien mussten nach Beschlagnahmung ihres Vermögens im Herbst 1938 die Stadt verlassen.

Mit Kriegsausbruch im September 1939 wurden nicht nur viele Lienzer in das unmittelbare Kriegsgeschehen an den verschiedenen Fronten einbezogen, auch die Zivilbevölkerung bekam die Härten einer schweren Zeit zu spüren. Ab November 1943 wurden auch in Lienz Fliegeralarme häufiger. Feindliche Flugzeuge warfen bis zum Ende des Krieges rund 1000 Bomben über der Stadt Lienz ab. Die Zerstörungen, vor allem des Stadtkerns, waren enorm. Auch Menschenleben waren zu beklagen. Insgesamt kostete der Krieg sowohl im Einsatz auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges als auch durch Bomben 360 Lienzern das Leben.

Der Einmarsch britischer Truppen am 8. Mai 1945 bedeutete das Ende der auch für Lienz so unglückseligen Ära. Noch in Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen ist die Tragödie im Lienzer Stadtteil Peggetz zu sehen, deren Höhepunkt sich am 1. Juni 1945 abspielte. Das Volk der Kosaken hatte sich von der UdSSR losgesagt und auf Seiten Deutschlands gegen die Rote Armee und die Tito-Partisanen gekämpft. In Oberkärnten und im Lienzer Becken wurden die Kosaken vom Kriegsende überrascht.

Beim Versuch der Briten, die Kosaken an die Sowjetunion auszuliefern, kam es zu grässlichen Massakern, bei denen einige hundert Kosaken - darunter Frauen, Greise und Kinder - erschlagen, zertrampelt oder von den britischen Panzern niedergewalzt wurden. Ein Friedhof mit 18 Massengräbern wird immer an dieses Ereignis erinnern, das als "Tragödie an der Drau" in die Geschichte eingegangen ist.

Nach dem Zusammenbruch von Hitler-Deutschland erstand auch Österreich wieder. Es dauerte aber noch bis zum Oktober 1947, dass der Bezirk Lienz mit Tirol wiedervereinigt wurde. Allgemeiner Aufschwung und positive Entwicklungen führten zu einer allmählichen Normalisierung des Lebens. Lienz gehörte übrigens zu den ersten Städten in Österreich, die von den Besatzungstruppen geräumt wurden, nämlich bereits im Oktober 1953. Der große Aufschwung der Stadt Lienz fiel in die Amtszeit des Bürgermeisters Michael Meirer (1950-1962), dem in besonderer Weise Wohn- und Schulbauten am Herzen lagen. In diesen Jahren wurde Lienz auch zur bedeutenden Schulstadt, schon rein äußerlich Zeichen einer junggebliebenen und damit zukunftsorientierten Stadt.

Auf die Jahre des Wiederaufbaues nach dem Zweiten Weltkrieg folgte eine Konsolidierung, geprägt von allgemeinem Wohlstand, wesentlicher Verbesserung der städtischen Infrastruktur in jeder Hinsicht und einer kulturellen Blüte. Eine stolze Leistungsbilanz ist für die "Ära" des Bürgermeisters Hubert Huber (1962-1994) zu verzeichnen, in die zahlreiche wichtige Veränderungen und Verbesserungen fallen. Dank seiner Persönlichkeit - er war durch viele Jahre auch im Tiroler Landtag und im Nationalrat engagiert - konnte unter den politischen Parteien ein hohes Maß an Konsens erreicht werden. Die gut funktionierende Zusammenarbeit wirkte sich sehr positiv auf die Entwicklung dieser Tiroler Stadt aus, die heute rund 13.000 Einwohner zählt.

Quelle

Univ.Doz.Dr. Meinrad Pizzinini:
Lienz in Geschichte und Gegenwart,
2. bearbeitete und erweiterte Auflage, Haymon Verlag, Innsbruck 1999"
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